OLED-Stele
Stelen auf großen Plätzen haben immer etwas zu bedeuten. Sie wollen etwas aussagen, auf etwas hinweisen, was mit den großen Fragen der Zeit zu tun hat. Angefangen hat es bei den Ägyptern, die Obelisken aufstellten, um ihren Visionen von Großartigkeit Ausdruck zu verleihen. Die Römer haben sie kopiert mit ihren Siegessäulen, die Renaissance hat zuletzt ein künstlerisches Programm daraus entwickelt: Stelen geben dem Platz ein Zentrum, sie werden zum Nabel einer kleinen Welt, an dem sich – im Sinne der Erbauer – auch die große Welt orientieren darf. Stelen hatten etwas Monumentales, Imperiales und am Ende vielleicht sogar etwas ästhetisch Beglückendes.
Willi Buchers OLED-Installationen auf großen Darmstädter Plätzen schließen an jene Jahrtausende alte Tradition an: in ironischer Brechung, das kann heute nicht anders sein, aber dennoch nicht weniger wegweisend. Es geht um ein großes und kritisches Thema unserer Zeit, um den Gegensatz von Natur und Technik; und es ist die Zielsetzung des Künstlers, in diesem Zusammenhang eine Vision zum Ausdruck zu bringen. Wie wäre es, wenn aus Technik in einem ganz grundsätzlichen Sinne Kunst würde, und wie erstaunlich müsste es erscheinen, wenn eine solche kunstvolle Ausgestaltung von Technik plötzlich nicht mehr im Gegensatz zur Natur stünde? Wenn Dimensionen deutlich würden, in denen Kunst und Natur sich vielsagend miteinander verbinden ließen, künstlerisch befruchten und gestalterisch ergänzen? Wenn wir im Zentrum unserer Plätze einen Hinweis darauf bekämen, dass wir uns von der Natur nicht wirklich entfremdet haben, vielmehr uns heute wieder mitten drin fühlen können? Bucher macht, diesem Gedanken folgend, zuletzt auch die freie Natur zu einem großen Platz, auf dem eine technische Kunst eine Landmarke setzt. Sie deuten damit an, dass wir uns auch hier nicht mehr kulturfremd fühlen müssen.
Buchers 15-20 Meter hohe, quadratische Stelen bestehen aus einem 3 Meter hohen Sockel und sind darüber mit 10 x 10 cm OLED-Plättchen bestückt. Auf ihnen erscheinen bunte Punkte und abstrakte Schemen, die sich im Laufe der Zeit figurlich immer mehr verdichten. Das Material dieser Screens gehört auch schon zum Programm: es ist ein Leuchtmittel auf organischer Basis und wird zur Grundlage dafür zu zeigen, wie anspruchsvoll und ästhetisch einleuchtend wir eine Kultur der Zukunft gestalten können. Eine Kultur der Zukunft, in der Technik nicht mehr, wie so oft im 20 Jahrhundert, mit Katastrophen verbunden werden muss, sondern mit der Aussicht auf eine freiere und autonome Gestaltung – eine solche also, die wir selbstbewusst in die Hand nehmen müssen.
Prof. Martin Gessmann